ESD: Grundlagen, Erklärung, Schutzmaßnahmen zur elektrostatischen Entladung

Elektrostatische Entladung und ihre Gefahr

Elektrostatische Entladung: die unsichtbare Gefahr aufgeladener Körper

 

Kennen Sie das? Man greift nichtsahnend zur Türklinke und bzzz – die Elektrizität schlägt zu. Auch wenn die Stimmung danach erst richtig geladen ist, handelt es sich bei dem Schlag tatsächlich um eine elektrostatische Entladung (ESD). Da stellt sich einem natürlich die Frage, wie es jetzt zu dieser ESD kam. Und warum laden sich Menschen eigentlich überhaupt auf? Wie gefährlich ist die elektrostatische Entladung und welche Schutzmaßnahmen gibt es? Wir erklären alles Wissenswerte rund um dieses Phänomen.

 

 

Was ist eine elektrostatische Entladung?

Ihnen sind schonmal die Haare zu Berge gestanden, nachdem sie sich einen Pullover angezogen haben? Sie bekommen von Ihren Mitmenschen oder Ihrem Auto hin und wieder „eine gewischt“? Bei genau diesem Phänomen handelt es sich um die elektrostatische Entladung.

Abgekürzt wird die elektrostatische Entladung häufig mit ESD für die englische Bezeichnung electrostatic discharge. Umgangssprachlich reden wir meist von einem „elektrischen Schlag“. Und genau das ist eine elektrostatische Entladung eigentlich: ein hoher, kurzer Stromschlag.

Ob und wie stark wir die elektrostatische Entladung bemerken, hängt von der Spannung ab:

  • Ab 3000 V: Die Entladung ist für den Menschen spürbar (z. B. Türklinke)
  • Ab 5000 V: Die Entladung ist hörbar (z. B. beim Ausziehen knisternder Pullover)
  • Ab 10000 V: Die Entladung ist in Form eines Funkens oder Blitzes sichtbar (z. B. Gewitter)

Bei einer elektrostatischen Entladung handelt es sich also um einen Ausgleich der elektrischen Ladung hin zu einem elektrischen Leiter oder zur Erde.

Hinweis: In modernen Arbeitsbereichen können durch ESD schnell Spannungen von über 10000 V auftreten. Diese sind für Menschen zwar ungefährlich, zerstören jedoch elektronische Bauteile.

 

Warum laden sich Menschen elektrisch auf?

Wie gesagt gibt es viele Phänomene, bei denen wir spüren, dass wir elektrisch aufgeladen sind bzw. waren. Gehen Sie beispielsweise über einen Teppichboden und fassen anschließend die Türklinke an, ist der elektrische Schlag vorprogrammiert.

Doch warum? Wie kommt es dazu, dass sich Menschen elektrisch aufladen?

Jeder Körper besitzt eine große Zahl elektrischer Ladungen. Wir merken jedoch nichts davon, weil die Wirkung der positiven und negativen Ladungen sich gegenseitig aufhebt. Nach außen hin sind wir neutral bzw. ungeladen.

Um einen Körper aufzuladen, muss man entweder Ladung auf ihn übertragen oder von ihm wegnehmen. Das geht zum Beispiel durch Reibung.

Bereits die alten Griechen wussten das. Sie fanden nämlich heraus, dass, wenn man ein Stück Bernstein beispielsweise an Wolle reibt, der Bernstein kleine Objekte anzieht. Das altgriechische Wort für Bernstein lautet „elektron“. Richtig, die Verwandtschaft zum Wort „Elektrizität“ ist kein Zufall!

Alltagsbeispiele der elektrischen Ladung

Zurück zum Alltag: Wenn man zum Beispiel einen Luftballon an einem Wolltuch reibt, dann nimmt der Luftballon negativ geladene Elektronen vom Wolltuch auf. Das Wolltuch verliert also Elektronen und der Luftballon hat einen Elektronenüberschuss. Er ist mit der Zeit negativ geladen.

Diese negative Ladung hat das Ziel, sich auszugleichen und nutzt den Kontakt mit dem erstbesten elektrischen Leiter – beispielsweise einer metallischen Türklinke – um abzufließen und das Gleichgewicht wiederherzustellen.

Ähnlich verhält es sich mit dem zuvor genannten Beispiel: Geht man über einen Teppichboden, nehmen die Schuhe durch die Reibung mit dem Teppichboden negativ geladene Elektronen auf. Mit der Zeit lädt man selbst sich negativ auf und greift man dann zur Türklinke, springt die Ladung von einem selbst auf die Türklinke über. Man bekommt einen elektrischen Schlag.

Hinweis: Gummisohlen isolieren zum Boden hin und begünstigen damit eine elektrostatische Aufladung auf Teppichböden. Bei Ledersohlen tritt dieses Problem eher nicht auf, da sie die Elektrizität ableiten.    

 

Wie kann man herausfinden, ob ein Körper elektrisch aufgeladen ist?

ESD Warnschilder
All diese Schilder warnen vor einer geladenen Stimmung

Möchte man herausfinden, ob ein Körper elektrisch aufgeladen ist, bevor es zur spürbaren Entladung kommt, muss ein elektrisches Messgerät her: das Elektroskop. Hält man einen elektrisch aufgeladenen Körper an ein Elektroskop, schlägt dessen Zeiger entsprechend aus.

Mit dem Elektroskop kommt man einer elektrischen Ladung nicht nur auf die Schliche, sondern kann sie auch messen. Die dafür vorgesehene Skala des Elektroskops wird als Elektrometer bezeichnet.

Wie kann man einen elektrisch positiv geladenen Körper entladen?

Sind gerade die Haare der Kollegen außer Reichweite oder Sie sind nicht zu Scherzen aufgelegt und möchten die elektrostatische Ladung schnell loswerden, dann halten Sie Ausschau nach einem Metallschrank oder einer Heizung.

Legen Sie die komplette Handfläche auf den weißen Teil des Heizkörpers oder die Metalloberfläche. Je größer die Metall- bzw. Heizkörperfläche, desto weniger spüren Sie von der Entladung.

Das Ganze funktioniert natürlich auch zur Vorbeugung: Wenn Sie gar nicht erst so richtig aufgeladen sein wollen, dann entladen sie sich sicherheitshalber einfach regelmäßig.

Tipp: Ihre Kleidung zerstört am Morgen des Öfteren Ihre Frisur? Gegen elektrisch aufgeladene Kleidung hilft ein Kleiderbügel aus Metall. Streichen Sie vor dem Anziehen mit dem Metallbügel von innen durch Ihr Kleiderstück, damit der Stoff sich über das Metall entlädt.

 

Kann statische Entladung gefährlich sein?

Im Alltag sind unsere Begegnungen mit statischer Entladung meist eher lustig oder haarsträubend, manchmal bleiben sie von uns sogar unbemerkt. Doch in Betrieben und im Labor stellt ESD ein erstzunehmendes Risiko dar.

Empfindliche Elektrokomponenten nehmen nämlich sogar von diesen für den Menschen nicht spürbaren Entladungen Schaden. Die Strukturen von elektronischen Bauteilen sind so klein, dass die Folgen selbst geringer Entladungen mit der Wirkung eines Gewitterblitzes auf einen Baum zu vergleichen sind.

Bei größeren Entladungen können sich Funken bilden und sind entzündliche Stoffe im Spiel, verursacht die Funkenbildung im schlimmsten Fall eine Explosion oder einen Brand.

Übrigens kann auch allein die durch einen elektrischen Schlag hervorgerufene Schrecksituation in manchen Bereichen gefährlich sein. Lassen Sie in der Küche vor Schreck die Kaffeetasse fallen, ist die anschließende Putzarbeit Ihr größtes Ärgernis. Im Betrieb können ein paar Sekunden Unachtsamkeit oder unüberlegte Bewegungen zu Unfällen führen.

Hinweis: Typische ESD-Schäden wie Frühausfälle der Bauteile bleiben beim Hersteller im Werk meist unentdeckt. Häufig wird der Schaden erst beim Kunden bemerkt. Es müssen dann also nicht nur die eigentlichen Reparaturkosten bezahlt werden, sondern Retouren und andere Ersatzleistungen werden schnell zu einem teuren Spaß.  

 

Wie funktioniert ESD Schutz?

Elektrostatische Entladung ist also gefährlich und kann zudem kostspielig werden. Doch welche Maßnahmen tragen zum ESD-Schutz bei?

Grundsätzlich gibt es zwei wesentliche Ansätze beim ESD-Schutz:

  1. Aufladungen vermeiden
  2. Schnelle Entladungen vermeiden

Wo auch immer Aufladungen vermieden werden können, besteht anschließend nicht die Gefahr einer elektrostatischen Entladung. Eine elektrostatische Aufladung kann beispielsweise durch Ableiten oder Erdung der Körper vermieden werden.

Ist ein Körper einmal elektrostatisch geladen, liegt es in der Natur der Dinge, dass es früher oder später zu einer Entladung kommt. Doch auch wenn die Entladung nicht vermieden werden kann, lässt sich die Schnelligkeit und damit die Intensität der Entladung beeinflussen. Mit großen elektrischen Widerständen beispielsweise können bestehende Ladungen langsam abfließen.

Welche ESD-Schutzmaßnahmen gibt es?

Wo der Hobbyelektriker vielleicht nur ein, zwei wirksame Maßnahmen ergreift, müssen Unternehmen oft ganze ESD-Schutzkonzepte ausarbeiten. Zur Umsetzung des ESD-Schutzes gibt es viele verschiedene Maßnahmen.

Typische ESD-Schutzmaßnahmen sind:

  • Personenbezogene Schutzmaßnahmen (z. B. ESD-Bekleidung, ESD-Schuhe, ESD-Armbänder, ESD-Werkzeuge)
  • Arbeitsbezogene Schutzmaßnahmen (z. B. antistatische und ableitfähige Arbeitsoberflächen, ESD-Bodenbeläge, ESD-Sitzgelegenheiten)
  • ESD-Schutzprogramme (z. B. Mitarbeiterschulung, Festlegung und Überprüfung der Schutzmaßnahmen)

Während es sich bei den personen- und arbeitsbezogenen Schutzmaßnahmen um konkrete Anwendungen handelt, befassen sich ESD-Schutzprogramme mit administrativen Aufgaben, um für die nötige ESD-Ausrüstung und die Weiterbildung der Mitarbeiter zu sorgen.

Wie genau die Maßnahmen umzusetzen sind, hängt vom jeweiligen Umfeld und den verwendeten Baukomponenten ab. Während die Einrichtung einer kompletten ESD-Schutzzone für einen Hobbyelektriker übertrieben erscheinen mag, birgt ESD in vielen Branchen der Industrie ein großes Risiko und einzelne ESD-Maßnahmen wie ESD-Bekleidung allein reichen nicht aus.

Hand ESD-Armband und Halbleiter
Halbleiter sind die Sensibelchen unter den Elektrokomponenten

 

Wie funktioniert ein ESD Band?

Mit einem ESD-Band oder auch Antistatikband lässt sich schnell und einfach die Erdung einer Person einrichten. Das Armband wird beispielsweise an das blanke Metall eines Heizthermostats angeschlossen. Möchten Sie nicht an die Heizung gefesselt arbeiten oder diese ist schlichtweg zu weit weg, bietet eine Erdungsschiene, wie sie an Labortischen zu finden ist, eine elegantere Lösung.

Wie ein ESD-Band funktioniert, lässt sich leicht nachvollziehen: Lädt sich der eigene Körper bei der Arbeit elektrostatisch auf, kann die Ladung über das mit einer Erdung verbundene Armband direkt abfließen. Ladungen stauen sich also gar nicht erst an, sondern werden immer direkt abgeführt.

Außerdem ist im ESD-Band ein hoher elektrischer Widerstand von 1 MΩ verbaut, der dem Strom den Weg zur Erdung hin erschwert, sodass die Ladung auch garantiert langsam abfließt und es zu keinen großen Strömen kommen kann.

Hinweis: Anders als beim WLAN funktioniert eine drahtlose Verbindung beim ESD-Band nicht. Vertrauen Sie dem verlockenden Gedanken drahtloser ESD-Armbänder daher nicht, ihnen fehlt schlichtweg das Kabel, über das die Ladung abfließen kann.  

 

Fazit: Kleine Ladungen, großer Schaden

Die elektrostatische Entladung ist ein Phänomen, das jedem früher oder später im Alltag begegnet. Manchmal ist der dabei entstehende kurze, hohe Stromschlag zu spüren, zu hören oder sogar zu sehen. Bei knisternden Pullovern und leitwilligen Türklinken kommt man meist mit einer neuen Frisur oder einem kleinen Schrecken davon.

In anderen Bereichen wie in der Industrie kann ESD jedoch verheerende Folgen mit sich bringen. Um empfindliche Baukomponenten zu schützen und unbemerkten Beschädigungen vorzubeugen, gibt es zahlreiche ESD-Schutzmaßnahmen. Ziel ist es dabei, sowohl Aufladungen als auch schnelle Entladungen zu vermeiden.

Maßnahmen gegen die elektrostatische Entladung gibt es direkt für Personen und auch bei der Arbeitsplatzgestaltung. Mit typischen Mitteln wie ESD-Bekleidung, speziellen Schuhen und Bodenbelägen, können sich Ladungen direkt friedlich in die Erde verkriechen, ohne ihren Trägern dabei spürbar eins auszuwischen.

ESD: Grundlagen, Erklärung, Schutzmaßnahmen zur elektrostatischen Entladung
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